Feldpostbrief aus München von Leutnant der Reserve Albert Schorer (geboren 1882 in Augsburg-Hochzoll, im Zivilleben Lehrer, in der Verlustliste vom 09. Juli 1917 als „schwer verwundet“ geführt, überlebte den Krieg, C.M.) vom 17.10.1917 an Franz Mack:
München den 17. Oktober 1917
Mein lieber Herr Mack!
Zunächst herzl. Dank für die beiden Briefe, die zu schicken Sie die Liebenswürdigkeit hatten. Faulheit und mangelnde Schreibfertigkeit (Schorer lag mit einer Schulter- und Lungenverletzung eine Zeit lang im gleichen Lazarett in München, in dem auch Franz Mack war, C.M.) sind und waren die Ursache, daß ich Ihnen nicht schon vor 1 Monat geschrieben habe. Nun, vor allem hat mich gefreut, dass Sie in Nürnberg im Hinblick auf Pflege und Verpflegung annehmbare Verhältnisse angetroffen haben. Hier ist alles beim alten. Nur in Hinsicht auf meine militärische Zukunft ist insofern eine Änderung im Gange, als Generaloberarzt Dr. Lösch bei seiner letzten Lazarettkontrolle befohlen hat, dass gegen mich das Kr U-Verfahren, d.h. das Kriegsuntauglichkeitsverfahren eingeleitet werde (laut Eintragung in der Kriegsstammrolle befand sich Schorer seit dem 08.05.1917, dem Sturm auf Fresnoy, bei dem auch Franz schwer verwundet wurde, im Lazarett, wurde ab 23.12.1917 beurlaubt und der Genesungskompagnie des 21. Infanterie-Regiments zugeteilt. Am 23.02.1918 wurde er mit Pension und der Erlaubnis, seine Uniform weiterhin zur tragen, aus der Armee entlassen, C.M.). Nun, ich habe absolut nichts dagegen, wenn ich schön langsam meinen Zivil-Leben (Schorer war Lehrer, C.M.) zurückgegeben werde auch auf die Gefahr hin, daß das Schultergelenk für alle Zeit steif bleibt; denn meine militärische und kriegerische Neugierde wurde während der 16 Monate im Felde vollkommen befriedigt und ich habe absolut kein Verlangen, Neues zu „erleben“ (Schorer nahm unter anderem an der Schlacht an der Somme und der Frühjahrsschlacht bei Arras teil und erwarb sich das Eiserne Kreuz zweiter Klasse, das Mecklinburgische Militärverdienstkreuz zweiter Klasse und den Bayerischen Militärverdienstorden, C.M). Andere wollen doch auch was sehen. Und da wäre es nicht schön, wenn man ihnen Platz u. Aussicht versperrte.
Ltn. Kaul (späterer Kompagnieführer, dem Franz als „Bursche“ diente und der am 14.04.1918 seinen Kriegsverletzungen erlag, C.M.) schrieb mir vor kurzem ein paar Zeilen, dass er auf 8 Tage zum Besuch eines Kurses nach Ingolstadt käme (Offiziere oder Offiziersanwärter hatten sich hin und wieder zu Fortbildungen zu begeben, C.M.), von wo aus er mich besuchen wolle. Allein, er kam bis heute nicht u. geschrieben hat er auch nichts mehr. Trotzdem fühle ich mich aber recht gesund. Von meiner Komp. (des 21. Infanterie-Regiments, in dem auch Franz diente, C.M.) weiß ich gar nichts; denn ich stehe mit niemandem in Fühlung. Nachdem meist neue Leute gekommen sind (gemeint ist frisch ausgebildeter Soldatennachschub aus der Heimat, C.M.) hätte es auch keinen Sinn, sich noch viel um die Sache zu kümmern, zumal ich ja für die ganze Geschichte ja noch nie ein Interesse hatte. – Über den Verbleib und das Schicksal der von Ihnen genannten 4 Leute kann ich leider auch gar nichts sagen. Freund Schlirf ging mit mir vor (beim Angriff auf Fresnoy, C.M.), aber nach meiner Verwundung habe ich ihn nicht mehr gesehen (gemeint ist wahrscheinlich Unteroffizier Konrad Schlirf, geboren 1894 in Nürnberg. In der Verlustliste vom 09.07.1917 wird er als „vermißt“ geführt. In den Kriegsstammrollen findet sich allerdings kein Konrad Schlirf mit diesem Geburtsdatum, sondern nur ein 1892 geborener Konrad Schlirf. Auf jeden Fall bleibt das Schicksal des im Brief genannten unbekannt, C.M.). Ich zweifle nicht, daß die Leute tot sind. Nun lassen Sie gelegentlich wieder einmal etwas von sich hören und seien Sie recht herzlich gegrüßt von Ihrem
Albert Schorer
Schwester Leonissa läßt Sie bestens grüßen!
Aus dem deutschen Heeresbericht vom 17.10.1917:
„Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:
In Flandern schwoll der Artilleriekampf vom Überschwemmungsgebiet der Yser bis zur Lys gestern wieder zu erheblicher Stärke an. In einzelnen Abschnitten war die Feuerkraft am Abend, auf der ganzen Front heute morgen gesteigert.
Außer Erkundungsgefechten, die auch zwischen dem Kanal von La Bassée und der Scarpe zahlreich waren, kam es nicht zu Infanteriekampftätigkeit.“
(Quelle: http://www.stahlgewitter.com/17_10_17.htm)
Feldpostbrief gelesen von Christian Mack (zum Abspielen anklicken):