Gut zehn Jahre nach seiner schweren Verwundung im Ersten Weltkrieg, versucht der gelernte Schuster Franz Mack Anstellung bei der Stadt Nürnberg und somit Anschluss an das Berufsleben zu finden. Zwar arbeitet Franz nach dem Krieg (und nachdem die langwierige Behandlung seiner Verletzung abgeschlossen ist) zunächst weiter als Lederzuschneider in einer Schuhfabrik, jedoch fällt ihm das Stehen am Produktionstisch auf Grund seiner Rückenmarksverletzung immer schwerer.

Mit dem so genannten Beamtenschein erhält er die Genehmigung, sich für eine Stelle bei der Stadt zu bewerben. Der nur über eine geringe Volksschulbildung verfügende Arbeiter Franz Mack bekommt nun also die Chance, eine Karriere im Staatsdienst zu ergreifen.

Freilich muss er sich hierfür weiterbilden, was er auch erfolgreich tut. Die Prüfung für den mittleren Staats- und Gemeindeverwaltungsdienst an der Bayerischen Verwaltungsschule besteht er letztlich im Jahr 1931, zuvor eignet er sich die Schreibmaschinenschrift und Stenographie an.

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Franz‘ Handschrift.

In Franz‘ Personalakte, in die mir freundlicher Weise das Personalamt der Stadt Nürnberg Einblicke gewährt hat, findet sich ein Bewerbungsschreiben an den Rat der Stadt Nürnberg, dem Franz auch einen Kurzlenbenslauf hinzufügt:

An Stadtrat Nürnberg

(Personal-Amt)

Nürnberg, 1. Oktober 1927

 

Betreff:

Gesuch des schwerkriegsbeschädigten Mack Franz

um Anstellung in einer Versorgungs-Anwärter vorberhaltenen Stelle

 

Auf Grund des mir am 24. September 1927 vom Versorgungsamt Nbg. Ausgestellten Beamtenscheins, No. 208/27 (Beginn der Lazarettbehandlung: 10. Mai 1917) ersuche ich um Anstellung bzw. Aufnahme in die Beamtenliste für nebenbezeichnete Stellen.

Kurzer Lebenslauf:

Am 4.12.94 als Sohn des Schuhmachermeisters-Eheleute Karl u. Margarete Mack in Nürnberg geboren. Besuchte die Volksschule dahier. Hauptnote: I-II.

Nach Erlernung des Schuh-  u. Schäftemacherhandwerks trat ich 1912 in die fränkische Schuhfabrik als Lederzuschneider ein.

Wurde im Frühjahr 14 zu Infanterie ausgehoben und im Oktober des gleichen Jahres zum 21. Infanterie Regiment eingezogen. Von Februar 15 bis 8. Mai 17 war ich bei diesem Reg:(iment) an d.(er) Front.

Am 8. Mai 1917 erlitt ich beim Angriff auf Fresnoy ein Granatsplittersteckschuss in die Kreuzbeingegend, an dessen Folgen ich heute 70 % erwerbs….? bin.

Die nach meiner „Entlassung“ wegen Kriegsunbrauchbarkeit angestellten Bemühungen mit beschädigtem Körper dennoch brauchbares Glied der menschlichen Gesellschaft zu sein, waren insofern von Erfolg, als ich bei strengster Einhaltung einer spartanischen Lebensführung die Leistungsfähigkeit der Mehrzahl meiner Kollegen erreichte. So stolz ich darauf bin, so musste ich doch (?) wahrnehmen, dass ich auf die Dauer nicht konkurrieren kann.

Ich ersuche daher um Anstellung in einen gangwerten (?) Posten. Erlaube mir zu erwähnen, dass ich die Einheitsstenografie (120 Silben) beherrsche und dass ich mir in allen Tagesfragen durch Erleben und Beobachtung Kenntnisse angeeignet habe, weshalb ich mir getraue zu behaupten, dass ich ein in mir gesetztes Vertrauen rechtfertigen werde. Mein Leumund ist ohne Makel. An bei liegendem Vierteljahresbericht des Pensionsparvereins unseres Betriebes dessen 1. Vorstand m. Wkt. (= meine Wenigkeit?) ist, und an dessen Gründung ich vorwiegend beteiligt bin, mögen sie bitte einen kleinen Beweis meiner Verwendungsfähigkeit im öffentlichen Leben ersehen.

Hochachtungsvollst

Franz Mack

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Erste Seite von Franz‘ Bewerbungsschreiben an den Stadtrat.

[Das komplette Dokument kann hier eingesehen werden.]

Am 17. Oktober 1927 hat Franz seine Bewerbung schließlich noch um folgende Angaben ergänzt:

In Beantwortung der Zuschrift vom 7. Oktober des Jahres teile ich dem Personalamt mit, dass ich mich um eine Stelle als:

Kanzleiassistent

Aufseher in der st. Bibliothek

Pfandverwahrer im Leihhaus oder dergleichen zu bewerben gedenke

Gestatten mir die Bitte anzufügen, dass ich meine Bewerbung auf alle ähnlichen mir gegenwärtig nicht geläufigen Stellen im Bereiche des Stadtrates ausdehnen darf, zu dem ich in körperlicher und geistiger Beziehung befähigt bin. Ich denke dabei an Zählerableser, an Verwendung im Wohnungsamt, Arbeitsamt und überall, wo man Männer braucht, die den zum Beamten notwendigen Ordnungs- und Gründlichkeitssinn mit der Fähigkeit des Umgangs mit der Bevölkerung in sich vereinen.

Wenn ich auch Stenografie und Maschinenschreiben nur in den Anfangsgeschwindigkeiten beherrsche, so bitte ich zu würdigen, dass ich mir dieses neben meiner beruflichen Arbeit aneignete und bis heute gar keine andere als Schulübung (?) haben konnte.

Ein Herzenswunsch wäre mir erfüllt, wenn ich als Entschädigung für die schmerzhaften und niederdrückenden Folgen meiner Verwundung (Blasenstörung und die in achtjährigen Ehe zur Gewissheit gewordene Fortpflanzungsunfähigkeit) im Dienste meiner Vaterstadt meinen Daseinswert beweisen durfte.

Mit vorzüglicher Hochachtungsvollst

Franz Mack

[Das komplette Dokument kann hier eingesehen werden.]

An die von Franz angeführte Zeugungsunfähigkeit glaubte dieser im Übrigen damals wirklich. Erst nach dem Tode seiner ersten Ehefrau und mit der Heirat meiner Großmutter, sollte sich Opa Franz‘ Annahme diesbezüglich widerlegen 😉

P.S.

Mein herzlicher Dank gebührt Frau Hofmann vom Personalamt der Stadt Nürnberg, die keine Mühen gescheut hat, Franz‘ über 200 Seiten starke Personalakte zu entstauben, durchzusehen und mir einige Kopien anzufertigen!

 

Enkel von Franz Mack. Studierter Historiker, ausgebildeter Journalist, Blogger und Autor. Dreht Filme als dervideograf.de.

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