Heute vor 100 Jahren: Immelmann stürzt ab

Unter all den Postkarten aus Opa Franz‘ Album sind auch einige dabei, die unbeschrieben sind. Diesen Postkarten wird auf OpasKrieg.de etwas weniger Aufmerksamkeit zuteil. Das bedeutet aber nicht, dass diese Karten weniger spannend sind. Im Gegenteil: Die Motive der unbeschriebenen Karten sind oft spektakulärer als das Durchschnittsmotiv von Karten mit handschriftlichen Grüßen. Das „Problem“ der unbeschriebenen Karten ist ganz einfach: Sie lassen sich (über ihre Motive hinaus) schlecht in Kontext setzen. Die Frage, wer sie an wen aus welchem Ort verschickt hat, lässt sich hier nicht klären. Umso schöner ist es, wenn es dann doch gelingt, diese Karten mit Kontext zu versehen. Und genau das möchte ich nun, aus Anlass des 100. Todestages von Fliegerass Max Immelmann, anhand zweier Karten zeigen.

„Adler von Lille“

Die Lieblinge der Propaganda auf Seiten aller kriegsführenden Nationen waren natürlich die „Helden“, oder Soldaten, die sich leicht zu solchen machen ließen. Einen besonderen Platz in der Kriegspropaganda nahmen dabei die Fliegerasse des Ersten Weltkrieges ein. Einer dieser „tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ war der so genannte „Adler von Lille“, Max Immelmann. Kein Wunder also, dass es über ihn und seine Fliegerkameraden eine gewisse Auswahl an Propagandapostkarten gab. Solche Karten finden sich auch in Opas Album wieder, wie dieses Beispiel zeigt:

Doppeldecker
Fokker E.I (Sieger) vs. Royal Aircraft F.E.2b (Besiegter)

Lange Zeit nahm ich an, dass es sich bei dem „Sieger“ um Max Immelmann handele, da dieser mit einer hier abgebildeten Fokker E.I  seine insgesamt 15 Luftsiege errang. Immelmann war übrigens Träger des höchsten Preußischen Ordens, dem Pour Le Mérite und somit natürlich ein Vorzeigesoldat.

Laut Wikipedia-Eintrag über Immelmann schoss dieser am 16.05.1916 (das gleiche Datum wie auf obiger Karte) „westlich von Douai“ ein feindliches Flugzeug ab, was seinen 15. und letzten Luftsieg bedeutete. Es gab also Grund zur Annahme, dass es sich bei dem „Sieger“ der Postkarte tatsächlich um Immelmann handeln könnte.

Heeresbericht bringt Licht ins Dunkel

Allerdings liegt Fournes(-en-Weppes) nicht wirklich „westlich von Douai“, sondern eher nord-östlich. „Kommissar Zufall“ brachte die Aufklärung: Da ich hier bei OpasKrieg.de bekanntlich die jeweiligen Heeresberichte des Tages zu den Postkarten in Kontext stelle und Opa zufällig am 17.06.1916, dem Tag nach dem Abschuss vom Foto oben, eine Postkarte schrieb, fiel mir auch der Heeresbericht des Tages wieder ins Auge. Darin heißt es:

Die Fliegertätigkeit war auf beiden Seiten rege. Oberleutnant Immelmann schoß westlich Douai das 15. feindliche Flugzeug herunter. Ein englisches Flugzeug unterlag im Luftkampf bei Fournes; die Insassen, zwei englische Offiziere, wurden unverwundet gefangen.

Dies bestätigt die Richtigkeit des Wikipedia-Eintrags in Zusammenhang mit Immelmanns Abschuss westlich von Douai. Es widerlegt aber auch meine bisherige These, dass Immelmann der „Sieger“ von der Postkarte war und gibt gleichzeitig Gewissheit, dass es sich bei dem abgeschossenen Flugzeug um eine britische Royal Aircraft F.E.2b handelt, da dieses Flugzeug ein Zweisitzer war.

„Immelmanns Todessturz“

War ich mir bei obiger Postkarte lange (zu Recht) unsicher, ob es sich um Immelmann handelte, so gab es bei folgender Karte aus Opas Album wenig Grund zum Zweifel:

Immelmanns Todessturz
Wrack von Max Immelmanns Fokker.

Sie zeigt die Absturzstelle des „Adlers von Lille“ und eine um das Wrack versammelte Gruppe von Soldaten. Erstaunlich hieran ist lediglich das Datum: Laut Wikipedia stürzte Immelmann am 18.06.1916 ab und nicht wie abgebildet am 19.06.1916. Vermutlich bezieht sich das Datum einfach auf den Moment der Aufnahme, die dann wohl einen Tag nach Immelmanns Absturz gemacht wurde.

Interessanter Weise schweigt sich der Heeresbericht, der sonst nie verlegen um die Schilderung von Immelmanns Heldentaten war, nun zu dessen Tod vollkommen aus. Man hatte wohl Sorge, der Tod einer Propagandaikone könne sich negativ auf die Moral der Truppe auswirken.

Die Leipziger Neuesten Nachrichten berichteten erst zwei Tage später, am 20.06., über Immelmanns Tod:

Wie die „Leipziger Neuesten Nachrichten“ von zuständiger Seite erfahren, stürzte Oberleutnant Immelmann vor einigen Tagen mit seinem Flugzeug ab und erlag seinen Verletzungen.

Soldaten wie Opa Franz erfuhren vom „schönsten Soldatentod“ Immelmanns allerdings wohl erst am 24.06. durch die Liller Kriegszeitung:

Zum Todes Immelmanns
Auszug aus der Liller Kriegszeitung vom 24.06.1916.

In den offiziellen Verlustlisten tauchte Immelmann erst in der Ausgabe vom 22.08.1916 auf.

Was so ein bisschen Kontext doch alles ausmachen kann! 😀

Enkel von Franz Mack. Studierter Historiker, ausgebildeter Journalist, Blogger und Autor. Dreht Filme als dervideograf.de.

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